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„Zu wenig Prävention können wir uns nicht leisten“

Welchen Einfluss haben Psyche und sozialer Status auf unsere Gesundheit? Und was bedeutet das für unsere immer älter werdende Gesellschaft? Mit diesen zentralen Fragen beschäftigt sich Prof. Dr. Johannes Beller in Forschung und Lehre. Am HMU-Campus Düsseldorf/Krefeld hat er eine Professur für Medizinische Psychologie übernommen und gibt sein Wissen seit diesem Wintersemester an Studierende der Humanmedizin weiter.

Prof. Dr. Johannes Beller lehrt Medizinische Psychologie an der HMU in Düsseldorf (Foto: privat)

Herr Prof. Beller, was fasziniert Sie so am Zusammenspiel von Psychologie und Medizin?

Psychosoziale Einflüsse haben eine enorme Auswirkung auf unsere Gesundheit. Das zeigt sich beispielsweise bei somatoformen Störungen wie Magenbeschwerden und Rückenschmerzen, die häufig mit psychischen Ursachen in Verbindung gebracht werden. Gleichzeitig haben auch soziale Faktoren wie Armut und Bildungsstand einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit. Diese komplexen Wechselwirkungen zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren genauer zu erforschen, ist unglaublich spannend.

Ihre wissenschaftliche Karriere begann in der Psychologie.

Das stimmt. Ich habe Psychologie an der TU Braunschweig studiert. Das breite Feld der Psychologie hat mich schon immer begeistert: die Biopsychologie, die unter anderem neuronale Mechanismen mit menschlichem Verhalten in Zusammenhang bringt, die Forensische Psychologie, in der es beispielsweise um die Frage geht, warum Menschen straffällig werden bzw. soziale Normen verletzen, oder die Ingenieurspsychologie, bei der die menschengerechte Gestaltung von Technik im Mittelpunkt steht. Nach meiner Promotion in Psychologie habe ich meine Forschung dann mehr in Richtung Gesundheit und Wohlbefinden verlagert und in Medizinischer Soziologie an der Medizinischen Hochschule Hannover habilitiert.

Womit beschäftigen Sie sich seitdem?

Mich faszinieren die Zusammenhänge von Wohlbefinden und Gesundheit, von Lebenszufriedenheit und Langlebigkeit. Schon in Hannover habe ich in einem interdisziplinären Team aus den Gesundheits- und Sozialwissenschaften geforscht und eng mit beispielsweise der Kardiologie und der Onkologie zusammengearbeitet. Im Fokus standen Fragen zur sozialen Ungleichheit und der langfristigen Entwicklung von Gesundheit und Krankheit. Also wie wirken sich Armut, Bildung und Beruf auf die Gesundheit aus? Solch ein Thema gemeinsam aus verschiedenen Blickwinkeln und Fachrichtungen zu betrachten, ist für mich ein wichtiger Schlüssel zu neuen Erkenntnissen. Diese interdisziplinäre Herangehensweise finde ich auch an der HMU wieder.

Welche zentrale Erkenntnis haben Sie gewonnen?

Für mich hat sich Armut als Ursache der Ursachen herauskristallisiert. Wer in Armut aufwächst, hat ein großes Risiko, dass sich dies gesundheitlich auf das gesamte restliche Leben auswirkt. Hier spielen Ernährung und Gewicht, aber auch medizinische Versorgung und Prävention eine wesentliche Rolle. In der Forschung stellen wir fest, dass insbesondere junge Menschen heute viel stärker körperlich und psychisch belastet sind, als das noch vor 20 Jahren der Fall war. Dieser Entwicklung müssten wir als Gesellschaft viel konsequenter entgegenwirken.

Wie könnten entsprechende Interventionen aussehen?

Wichtige Stichworte sind Verhaltensprävention und Verhältnisprävention. Beides müsste deutlich ausgeweitet werden. Einerseits durch intensivere gesundheitliche Aufklärung der Gesellschaft, andererseits durch eine Verbesserung der Lebensverhältnisse armer Menschen und insbesondere sozial benachteiligter Kinder.

Hat die Prävention in den vergangenen Jahren nicht deutlich zugenommen?

Aktuell werden rund fünf Prozent der Gesundheitsausgaben in präventive Maßnahmen gesteckt. Das ist zu wenig. Wenn heute schon 18-Jährige einen Diabetes Typ2 entwickeln, und das kommt immer öfter vor, bleiben die Behandlungskosten das ganze Leben lang hoch und das Risiko für Folgeerkrankungen steigt schon in jungen Jahren. Auch bei den psychischen Belastungen junger Menschen geht die statistische Kurve seit Jahren kontinuierlich rauf statt runter. Das sind fatale Entwicklungen, da die junge Generation einen viel geringeren Bevölkerungsanteil hat als die Boomer, später aber die Hauptlast unserer Gesellschaft tragen muss. Deshalb können wir uns zu wenig Prävention schlicht nicht leisten.

An der HMU lehren Sie Medizinische Psychologie und Soziologie mit klinischem Bezug. Was geben Sie Ihren Studierenden mit – fachlich und persönlich?

Mir ist es wichtig, meinen Studierenden den Wert ärztlicher Empathie nahezubringen und ihnen ein tiefes Verständnis für psychosoziale Zusammenhänge zu vermitteln. Im Berufsalltag sind diese Kompetenzen für Ärztinnen und Ärzte extrem wichtig. Das besagt übrigens auch das biopsychosoziale Modell der WHO. Mein erstes Semester an der HMU in Düsseldorf zeigt großes Interesse an psychosozialen Themen. Die Studierenden sind extrem motiviert. Viele von ihnen verfügen bereits über medizinische Erfahrungen und wissen, wie wichtig der psychosoziale Part in der medizinischen Versorgung ist. Das begeistert mich sehr.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Beller.


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